Männerbild im Katholizismus: Mann, oh Mann!
Um Vorbild zu sein, muss man zuallererst mal Präsenz zeigen – doch die Geistlichen der Kirche wirken, trotz ständiger Kritik, weiterhin unantastbar und weltabgewandt. Immer noch sind es meist Frauen, die die Kommunion vorbereiten, die Kinder zum Sternsingen begleiten oder Kindergottesdienste leiten.
Währenddessen geht die gesellschaftliche Rolle des Familienvaters längst über das Selbstverständnis des Alleinverdieners hinaus. Die Beziehung der Eltern zu den eigenen Kindern wird bedeutender, und immer mehr Väter wollen im Alltag ihrer Kinder involviert sein. Genauso sollte sich auch die Rolle des geistlichen Vaters in der Kirche emanzipieren. Sie sollte sich lösen vom Selbstverständnis als unerreichbare, über alles erhabene Ikone.
In früheren, wesentlich unsichereren Zeiten hatte eine starke und unnachgiebige Leitfigur viel-leicht eine beruhigende Wirkung. Doch in der stoisch diplomatischen Merkel-Ära, in der ich aufgewachsen bin, ist es gerade andersrum. Das äußere System wirkt gesättigt und sicher, sodass ich mir nie ein mentales Korsett anlegen musste, sondern immer noch und durchgängig an meiner inneren Stabilität und Authentizität arbeiten kann. Ich habe schlichtweg mehr Zeit zur Entfaltung und Reflexion, einen unerschöpflichen digitalen Zugang zu Informationen und die ständige Selbstaufforderung, mich weiterzubilden.
Zudem habe ich, anders als viele Menschen in den Generationen vor mir, noch keine verheerenden Erfahrungen mit Krieg, Hunger oder Tod gemacht. Ich kann es mir leisten, jede noch so kleine schlechte Erfahrung auszutherapieren und mich mit meinem inneren Kind auseinanderzusetzen, weil mich bis dato unterdrückte Erinnerungen oder Gefühle zwar stark beschäftigen, aber vermutlich nicht wesentlich verändern können.
Vielleicht würde ich, wenn ich in einer instabileren Zeit groß geworden wäre, auch einen höheren Wert auf all das legen, was nach außen hin wie Stärke aussieht und über innere Zerrissenheit hinwegtäuschen kann. Aber aufgrund meiner Prägung wirken die Unbelehrbarkeit der alten Machthaber, ihre Ignoranz den Nachkommen gegenüber und die Weigerung zur Selbstreflexion heutzutage nur befremdlich.
Gerade drängen mich und meine Generation weltliche Fragen, auf die wir von Vorbildern sachkundige Antworten erwarten, ein authentisches Verhalten und ein selbstreflektiver Umgang mit den eigenen Schwächen inbegriffen. Wenn der Kirche dazu die Kompetenzen fehlen, dann ist sie tatsächlich nicht systemrelevant.
Also: Neue Männer braucht die Kirche, die so auf ihre Männlichkeit beharrt.
Männer, die ihre Prägung und ihr Umfeld reflektieren, sich selbst weiterentwickeln und sich einfühlen können.
Eine Kirche, die Körperlichkeit nicht mehr mit Scham behaftet, sondern sich in aller Ruhe und Besonnenheit mit ihr befasst, damit eine authentische Vorbildfunktion wieder denkbar wird.
Eine Gesellschaft, die mit Vorbildern begeistert – anstatt nur zu betonen, wie man sich auf gar keinen Fall verhalten soll.
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Freie Autorin für Christ und Welt:
23 Jahre, hat im Herder Verlag das Buch „Gott hat mir nie das Du angeboten“ veröffentlicht. Sie studiert an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, Abteilung Drehbuch.
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