Am 21. Mai ist Christi Himmelfahrt. An diesem gesetzlichen Feiertag wird traditionell der Vatertag – auch Herren- oder Männertag genannt – gefeiert.
In diesem Jahr ist aber vieles anders, als wir es gewohnt sind. Durch die Corona-Pandemie hat sich beispielsweise das Familienleben von Vätern drastisch verändert. Für viele verursacht die gegenwärtige Situation zusätzliche Belastungen, Schwierigkeiten und Ängste – nicht zuletzt, wenn durch Kurzarbeit das Familieneinkommen nicht mehr gesichert ist. Andere freuen sich, dass sie im Homeoffice mehr Zeit mit ihren Familien verbringen können. Viele Männer werden den Ausfall der geplanten Bollerwagen-Tour mit den dicksten Freunden bedauern. Auch andere Treffen mit Familie und Freunden werden dieses Jahr mindestens kleiner ausfallen, um diesen freien Tag zu genießen.
Man darf gespannt sein, was sich Familien, Väter und Männer in diesem Jahr einfallen lassen, um den 21. Mai feierlich zu begehen.
Spaßbremse?
Gedanken zum Vatertag
von Dag Schölper, Geschäftsführer des Bundesforum Männer
Berlin | 19.05.2020. Ich sitze zuhause mit meinem Dienstlaptop am Tisch in unserem Schlafzimmer und denke über den anstehenden „Vatertag“ nach. Wegen der Corona-Krise tue ich das nicht im Büro. Die Kinder sitzen nebenan, über ihre Home-Schooling-Aufgaben gebeugt. Meine Partnerin versucht sich, parallel zu uns dreien, auf die jetzt wieder anlaufende Arbeit als Erzieherin in der Kita vorzubereiten. Das dreckige Geschirr von Frühstück und Mittag stapelt sich in der Küche. Infolge des Corona-Shut-Downs hat sich unser Alltag erheblich verändert. Auch der diesjährige Vatertag wird sicher anders werden als sonst. So ist nicht zu erwarten, dass Männer wie gewohnt in größeren Gruppen ins Grüne zuckeln, um gemeinsam die ein oder andere Kiste Bier zu leeren. Massenhaft in die Kirchen strömen werden sie wohl auch nicht, auch wenn ihnen die Teilnahme am Gottesdienst zu Christi Himmelfahrt nach dem harten Corona-Shutdown der letzten Wochen und Monate nun wieder möglich wäre.
Rückblickend fällt mir auf, dass ich selbst am Donnerstag, 40 Tage nach Ostern noch nie in der Kirche war, um Christi Himmelfahrt zu feiern. Ich kann mich nicht erinnern, an diesem von Gesetzes wegen freien Tag irgendetwas besonderes erlebt zu haben, weil der Herr Jesus Christus vor rund 2000 Jahren aufgehoben wurde gen Himmel und sich zur Rechten Gottes setzte. Als Stadtkind habe ich auch nicht für eine gute Ernte gebetet, wie man es wohl früher gerade in ländlichen Gegenden getan hat und womöglich noch immer tut.
Andererseits war ich am Vater-, Herren- oder Männertag auch noch nie mit Kumpels auf Sauftour. Dabei wird dieses Brauchtum seit mindestens dem 19. Jahrhundert in deutschen Landen gepflegt, auch damit Jungs lernen, zu saufen wie ein „richtiger Mann“. An die Kremser und offenen Planwagen, die vormittags durch die West-Berliner Straßen meiner Kindheit trabten und tuckerten, voll mit besoffenen Männern, die lauthals lallten und grölten, erinnere ich mich allerdings. Auch an den Pulk vor den Kiez-Kneipen, wo es irgendwann immer Streit und Kloppereien gab. Als Kind blieb ich an diesem Vormittag zum Spielen lieber drinnen. Gegen Mittag war der Spuk vorbei. Vor dem ein oder anderen Hauseingang saß noch einer völlig abgedichtet und döste vollgekotzt seinen Rausch aus, was seither mein Bild von „Frühschoppen“ prägt. Die sogenannten Bierbikes, die in den Nullerjahren aufkamen, wirkten wie ein modernisiertes Echo darauf.
Etwas verwundert war ich darüber, dass die Soziologie den „Vatertag“ zu den „institutionalisierten Anlässen des Schenkens“ [1] zählt. Ich selbst bin seit 2009 Vater, habe jedoch noch nie erwartet, an diesem Tage etwas geschenkt zu bekommen. Auch in der Kita meiner Kinder kam niemand auf diese Idee; anders als zum Muttertag wurde nichts unter Hochdruck gebastelt und gepinselt. (Lieber Papa, tatsächlich kam auch mir der Gedanke noch nie, Dir an Himmelfahrt etwas zu schenken…) Allerdings fragen sich meine Kinder, warum das eigentlich so ist.
Erinnert sich noch jemand daran: Letztes Jahr köchelte ein Werbe-Eklat rund um den Muttertags-Spot von EDEKA wegen der dümmlich-stereotypen Darstellung von Vätern (und der fragwürdigen Überhöhung von Müttern). [2] Der Spot wurde letztlich sogar vom Werberat gerügt. [3] Zum „Vatertag“ kam dann eine laue Retourkutsche, bei der Mütter von der Supermarkt-Kette aufs Korn genommen wurden. Viel unmittelbarer beschäftigt uns in diesem Jahr nun alle die völlig veränderte soziale Wirklichkeit aufgrund der Maßnahmen zum Schutz vor der unkontrollierbaren Verbreitung des Corona-Virus‘. Die gleichermaßen erzwungene Nähe in der „Kernfamilie“ und die erzwungene Distanz zu allen anderen Menschen, führen zu einer notwendigen Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen sozialen Umfeld.
So gesehen wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für einen Relaunch des „Vatertags“. Lassen wir die Problematisierung der Binarität von Mutter und Vater einmal außen vor. Dann könnte an diesem Tag ein empathischer und einladender Blick auf Väterlichkeit gerichtet werden. Anerkennung für die Väter, die sich aktiv in die Kindererziehung und Hausarbeit einbringen, indem das öffentlich sichtbar mal richtig gefeiert wird. Wir waren ja eben schon bei Werbung. Man(n) hat allzu oft noch den Eindruck, dass Abwaschen, Staub saugen, Windeln wechseln, Kochen und jetzt ganz aktuell: home schooling peinlich versteckt und verheimlicht werden müssten, um nicht als Mann und Vater für einen warmduschenden Pantoffelhelden gehalten und verlacht zu werden. Mein Opa hat das alles schon gemacht und ich hatte nie einen Zweifel an seinem Mann-Sein. Küchenarbeit und Freiwillige Feuerwehr passten bei ihm problemlos zusammen. Ich finde, dass der Vatertag (oder wahlweise auch Herren- bzw. Männertag) ein guter Anlass wäre, um Selbstsorge und Fürsorge von Männern zu feiern. Eine ultimative Lobhudelei für Väter und ihr einfühlsames Vorlesen am Abend (auch wenn der Tag im Job stressig war), für alltägliches Hausarbeiterledigen, dafür, das Handy regelmäßig einfach mal aus zu lassen, um ganz bei Kindern und Partner_in zu sein. Das wäre vielleicht auch eine überraschende Maßnahme gegen den Rückfall ins alte Ernährer-Hausfrauen-Modell, dass nun durch die Corona-Krise fröhliche Urständ zu feiern scheint.
Und nicht zuletzt könnte das auch ein Tag werden, wo Medien und Politik innehalten und überlegen, was eigentlich noch zu tun wäre, um die Gleichstellung der Geschlechter zu befördern, zum Beispiel die Normalerwartung des „männlichen Alleinernährers“ nachhaltig zu überwinden. Das Statistische Bundesamt schreibt ganz trocken: „Im Jahr 2018 waren fast ein Viertel aller Mütter, deren jüngstes Kind unter 6 Jahren ist, in Elternzeit. Unter den Vätern traf dies nur auf 1,6 % zu.“ [4] Auch wenn Mutter und Vater mit einem kleinen Kind erwerbstätig sind, sind es ganz überwiegend die Väter, die in Vollzeit arbeiten. Für die Vater-Kind-Beziehung kann das nicht gut sein – und für die zwischen Mann und Frau auch nicht. Eine Zementierung ungleicher Rollen ist die zu erwartende Konsequenz, wenn im ersten Lebensjahr ihres Kindes 78 % der Väter die Alleinverdiener-Rolle einnehmen; bei Kindern unter 3 Jahren sind es immer noch 54 %. [5] Übrigens ist das Alleinverdiener-Modell in West-Deutschland wesentlich weiter verbreitet, als in Ost-Deutschland. An diesem Tag darf ich dazu wohl sagen: Jesus, hilf!
Auf ein höheres Wesen will ich mich aber nicht verlassen. Von daher wünsche ich mir zum Vatertag von der Bundesregierung keine Geschenke, sondern dass sie für den Einstieg in den Ausstieg aus diesen Konstellationen sorgt, in denen sich die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern festschreibt. Dazu wäre zunächst einmal die 14tägige Freistellung mit Lohnersatz für Väter aus Anlass der Geburt ihres Kindes umzusetzen, die von der im letzten Jahr verabschiedeten EU-Vereinbarkeitsrichtlinie vorgesehen ist. Gerade in der aktuellen Situation zeigt sich, dass Mütter im Wochenbett sonst völlig auf sich allein gestellt sind. Ferner erwarte ich von der Politik, dass Väter ein klar geregeltes individuelles Anrecht auf eine längere Phase von Elternzeit mit Elterngeld zuerkannt bekommen (mindestens vier Monate, besser die Hälfte) – und dabei sollte auch konstruktiv an diejenigen Väter gedacht werden, die nicht mit der Mutter des Kindes in einem Haushalt leben. Flankierend wünsche ich mir von den Gewerkschaften, dass sie sich in den Betrieben für die bessere Vereinbarkeit von Familie, aber auch von Pflegeverantwortung und Beruf für Männer und Väter einsetzen, und von Arbeitgebern, dass sie dies von sich aus proaktiv angehen. Der Gesetzgeber kann hier gerne unterstützend tätig werden und auch pflegebedingte Auszeiten und Arbeitszeitreduktionen durch Lohnersatzleistungen erleichtern. Diese Fragen sollten nicht dem individuellen Verhandlungsgeschick gegenüber Arbeitgebern überlassen bleiben, hier braucht es klare Regelungen. Wenn der Druck, der auf vielen erwerbstätigen Männern lastet, abnähme, dann müssten sich vielleicht am Vater-, Herren- oder Männertag nicht mehr ganz so viele von ihnen exzessiv einen ansaufen.
Aber jetzt freue ich mich erst einmal auf einen hoffentlich sonnigen Vatertag, an dem sich die Familienarbeit auf die Zubereitung der Mahlzeiten, eine Diskussion über ein geeignetes, den gebotenen Sicherheitsabstand wahrendes Ausflugsziel und vielleicht noch über den gemeinsam zu sehenden Film beschränkt. Und ein kühles Bier zum Abschluss eines schönen Feiertags würde ich auch nehmen.